Umsatzsteuer ist nur dann Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO, wenn das Entgelt durch den vorläufigen Insolvenzverwalter vereinnahmt wurde


Das FG München hat in seiner Entscheidung vom 27.02.2019 – 3 K 415/18 eine wichtige Klarstellung zum Umfang der steuerlichen Masseverbindlichkeiten aus dem vorläufigen Insolvenzverfahren vorgenommen.

Das Gericht führt dazu in den amtlichen Leitsätzen aus:

1. Masseverbindlichkeiten werden nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen.

2. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, kommt es deshalb für die Frage, ob umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten begründet wurden, nicht darauf an, ob der vorläufige Insolvenzverwalter der Entgeltvereinnahmung durch den Schuldner zugestimmt hat (auch konkludent, indem er ihr nicht ausdrücklich widersprochen hat).

Neues zu „Bauträgerfällen“: BFH entscheidet zur Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung


447352_web_R_K_by_Thorben Wengert_pixelio.deMit Urteil vom 23.02.2017 – V R 16/16 und V R 24/16 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofes im Rahmen eines so.g Bauträgerfalles wie folgt entschieden:

1.  Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 S. 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.

2. Das Finanzamt hat eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 S.3 UStG auch dann anzunehmen, wenn der Steueranspruch bereits getilgt war. Auf das Vorliegen einer Rechnung kommt es nicht an.  (Leitsätze des Gerichtes)

Im Rechtsstreit lag die Grundkonstellation jedes Bauträgerfalles vor: Eine Bauträger GmbH hatte sog. „Bauträger-Kaufverträge“ mit Erwerbern von Eigentumswohnungen geschlossen und sich verpflichtet ein entsprechendes Mehrfamilienhaus zu bauen.

Die GmbH hatte Bauleistungen an einen Putz-Unternehmer vergeben. Alle Beteiligten waren davon ausgegangen, dass die Leistungen des Putz-Unternehmers gem. § 13b UStG (Umkehr der Steuerschuldnerschaft / Reverse Charge) zu besteuern seien und die Leistungen in Rechnungen und Steuererklärungen (hier 2012)  entsprechend behandelt.

Inzwischen hatte der BFH am 22.08.2013 (V R 37/10) entschieden, dass § 13b UStG auf sog. Bauträgerfälle nicht anzuwenden sei, also das leistende Bauunternehmen seine Leistungen unter USt-Ausweis abzurechnen und die Steuer für eigene Rechnung abzuführen habe.

Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat die Bauträger-GmbH im vorliegenden Fall ihre Umsatzsteuererklärungen für 2012 berichtigt und die für das Putz-Unternehmen gezahlte Umsatzsteuer zurückgefordert. Das FA hat daraufhin dem Putzunternehmer mitgeteilt, dass die Bauträger GmbH die für ihn gezahlte USt zurückgefordert habe und er nunmehr die USt selbst zu zahlen habe.

Streitig waren im weiteren Verfahrenslauf dann  zwei Punkte:

  • Kann das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer ändern?
  • Muss das Finanzamt an Zahlung statt die Abtretung der Umsatzsteuerforderung annehmen, die der Putz-Unternehmer gegenüber der Bauträger GmbH hat, weil er seine ursprüngliche Rechnung nunmehr um den Umsatzsteuerbetrag erhöhen kann?

Der BFH hat beide Fragen mit Ja beantwortet. Wenn der leistende Putz-Unternehmer das Recht habe, die zusätzlich auszuweisende Umsatzsteuer bei der Bauträger GmbH nachzufordern, könne auch das Finanzamt die Umsatzsteuer gegen ihn festsetzen, sei dann aber auch verpflichtet erfüllungshalber für die Steuerschuld die Abtretung der  Rechnungsforderung aus der Umsatzsteuer  anzunehmen.

Dabei  ist vor allem bemerkenswert, dass der BFH offenbar davon ausgeht, dass immer ein Anspruch des leistenden Unternehmers auf eine Entgelterhöhung im Wege der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB bestehe. Genaus diese Frage ist in der zivilrechtlichen Rechtsprechung gegenwärtig kontrovers, aber noch nicht höchstrichterlich entschieden. (vgl. LG Köln  v. 30.10.2015 – 7 O 103/15 vs. LG  Düsseldorf, Urteil vom 5. 2. 2016 – 33 O 86/15).

FG Köln: Umsatzsteuerschulden für verheimlichte Einnahmen sind keine Masseverbindlichkeiten


BFH entscheidet zum Abzug von SchuldzinsenDas FG Köln hat in einem Urteil  vom 09.12.2016 (7 K 1860/16)  in einem Fall entschieden, in dem der Insolvenzschuldner im Rahmen einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit Einnahmen verschwiegen hatte. Das zuständige Finanzamt hatte die darauf entfallenden Umsatzsteuern gegen die Insolvenzmasse festgesetzt. Der Insolvenzverwalter hatte dagegen geklagt.

Das FG Köln hat nunmehr festgestellt: Wenn der Insolvenzschuldner dem Insolvenzverwalter und dem Finanzamt gegenüber einen Teil der von ihm erzielten Einnahmen aus einer freigegebenen fortgeführten selbständigen Tätigkeit verheimlicht,  sind die darauf entfallenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten keine Masseverbindlichkeiten im Sinne des §  55 InsO. Nach der Auffassung des Gerichtes stehe es  nicht in der Rechtsmacht des Schuldners, am Insolvenzverwalter vorbei die Insolvenzmasse zu belasten.

Das vollständige Urteil gibt es hier: FG Köln, Urteil vom 09.12.2016 – 7 K 1860/16.

Die Revision ist zugelassen

EuGH: Rechnungsberichtigung wirkt auf das ursprüngliche Rechnungsdatum zurück


clause-684509_640Fehlen in einer Rechnung umsatzsteuerlich zwingende Angaben, z.b. die USt-ID des Lieferanten, können diese zwar nachgeholt werden, allerdings geht der deutsche Fiskus davon aus, dass dann der Vorsteuerabzug erst zum Zeitpunkt des Nachholen, nicht zum Zeitpunkt des ursprünglichen Rechnungsdatums geltend gemacht werden kann. Dem hat der EuGH jetzt widersprochen (EuGH, Urteil v. 15.09.2016 – C-518/14 (Sc))

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die Klägerin machte für die Jahre 2008 bis 2011  einen Vorsteuerabzug aus den ihren Handelsvertretern erteilten Provisionsabrechnungen sowie aus den Rechnungen eines Werbegestalters geltend. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das FA fest, dass ein Vorsteuerabzug aus den Abrechnungen nicht möglich sei, da diese keine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers enthielten. Noch während der Außenprüfung ergänzte die Klägerin die Dokumente um die Angabe der Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer.

Das FA ließ den Vorsteuerabzug in den Streitjahren nicht zu, da die Voraussetzungen erst zum Zeitpunkt der Berichtigung der Rechnungen, d. h. im Jahr 2013, vorlagen. Das FG Niedersachsen beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  • Ist die vom EuGH festgestellte Ex-nunc-Wirkung einer erstmalige Rechnungserstellung für den – hier vorliegenden – Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung insoweit relativiert, als der EuGH in einem solchen Fall im Ergebnis eine Rückwirkung zulassen wollte?
  • Muss die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten, oder kann diese später ergänzt werden mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung erhalten bleibt?

Hierzu führten die Richter des EuGH weiter aus:
Das in den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112 geregelte Recht auf Vorsteuerabzug kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden.
Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt hat. Der Besitz einer Rechnung, die die in Art. 226 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Angaben enthält, stellt eine formelle und keine materielle Bedingung für das Recht auf Vorsteuerabzug dar.
Mit diesem Urteil widerspricht der EuGH deutschem Recht, nachdem bei der Berichtigung einer Rechnung durch Hinzufügung einer in der ursprünglich ausgestellten Rechnung fehlenden Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Berichtigungszeitpunkt ausgeübt werden kann.

QUELLE: NWB.de

BFH : Berichtigung der Umsatzsteuer bei Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters


clause-684509_640Bestellt das Insolvenzgericht einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen. Eine nachfolgende Vereinnahmung des Entgelts durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrages (BFH, Urteil v. 01.03.2016 – XI R 21/14, veröffentlicht am 29.06.2016).

Hintergrund: Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Im Juni 2012 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Kläger zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger vereinnahmte nach seiner Bestellung Entgelte für Leistungen, die die GmbH vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erklärte er in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen als umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag. Zugleich machte er geltend, die Umsatzsteuer sei nicht zu berichtigen. Dies lehnte das FA ab und setzte eine höhere Steuer als die beantragte fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und setzte die Umsatzsteuer antragsgemäß fest. Der BFH gab dem FA Recht.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Entgegen der Auffassung des FG sind die Entgelte für die von der GmbH vor der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt zu einer zweiten Berichtigung und begründet Masseverbindlichkeiten.
  • Noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers werden uneinbringlich, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
  • Auch wenn das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, zu berichtigen.
  • Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer zum zweiten Mal zu berichtigen.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)

Eingeschränkter Vertrauensschutz für Bauleistende


site-1028178_640In einer Pressemitteilung vom heutigen Tag teilt das FG Münster mit:

„Mit heute veröffentlichten Urteilen vom 15.3.2016 (Az. 15 K 1553/15 U und 15 K 3669/15 U) hat der 15. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass in sog. Bauträger-Fällen einer Inanspruchnahme des Bauleistenden keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen, wenn im Ergebnis eine finanzielle Belastung des Bauleistenden durch Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs gegen den Bauträger an das Finanzamt ausgeschlossen werden kann.

Den Entscheidungen des 15. Senats lag ein sog. Bauträger-Fall zugrunde. In Bauträger-Fällen erbringt ein Bauleistender gegenüber einem Bauträger, d.h. einem Unternehmer, der selbst nur Grundstückslieferungen ausführt, Bauleistungen. Nach damaliger Ansicht der Finanzverwaltung war auf derartige Fälle das Reverse-Charge-Verfahren (Umkehr der Steuerschuldnerschaft, § 13b Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 Satz 2 UStG) anwendbar. Der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil vom 22.8.2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl. II 2014, 128) hat diese Ansicht der Finanzverwaltung verworfen. Das Finanzamt beabsichtigte anschließend, die Bauleistenden anstelle des Bauträgers als Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG in Anspruch zu nehmen.

Die Urteile des 15. Senats des Finanzgerichts Münster vom 15.3.2016 betreffen einerseits die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauleistenden und andererseits die Erhebung der festgesetzten Steuer. Zwar sei das Finanzamt befugt, die Umsatzsteuer gemäß § 27 Abs. 19 UStG gegenüber dem Bauleistenden entsprechend höher festzusetzen, da der Vertrauensschutz des Bauleistenden in die damalige Verwaltungsauffassung ausgeschlossen werde. Dieser Ausschluss sei aber nur dann verfassungsgemäß, wenn im Ergebnis eine finanzielle Belastung des Bauleistenden nicht eintrete. Auf Erhebungsebene sei deshalb das Ermessen des Finanzamts gemäß § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, die Abtretung des Umsatzsteuernachforderungsanspruchs anzunehmen, auf null reduziert.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfragen hat der 15. Senat in beiden Entscheidungen die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.“

Quelle: Justiz NRW  (Pressemitteilung des FG Münster vom 15.04.2016)

In einem ähnlich gelagerten Fall hat der BFH bereits Aussetzung der Vollziehung eines Bescheide bewilligt, mit dem ein Bauleistender für die Umsatzsteuer in Anspruch genommen wurde. Der BFH hat grundsätzliche Bedenken geäußert. Die Finanzämter wollen angeblich bereits ihrer Abwicklungspraxis verändern. 

Umsatzsteuer | Finanzämter stoppen Abwicklung der Bauträgerfälle (NWB Experten-Blog)


 Eine neue Entwicklung scheint sich innerhalb der Finanzverwaltung bei der Abwicklung der sog. Bauträgerfälle zu ergeben. Hierauf weisen Robert Hammerl im NWB Experten-Blog sowie diverse Steuerberaterverbände hin.

 

Hintergrund: Der Bauträger ist aufgrund des BFH-Urteils v. 22.8.2013 – V R 37/10 nicht mehr Schuldner der Umsatzsteuer aus dem Bezug von Bauleistungen. Die Finanzverwaltung ist mit BMF-Schreiben vom 5.2.2014 dieser Rechtsprechung gefolgt. Der Bauträger stellt einen Antrag auf Auszahlung der Umsatzsteuer für die Vergangenheit, die aufgrund der Regelung in § 27 Abs. 19 UStG aber nicht ausbezahlt werden soll, sondern durch Inrechnungstellung der Umsatzsteuer durch den Subunternehmer mit der zivilrechtlichen Forderung des Subunternehmers verrechnet wird. Im Ergebnis würde der Bauträger damit nur die Erstattungszinsen im Sinne des § 233a AO erhalten, während der Subunternehmer aufgrund des § 233a Abs. 2a AO nicht mit Nachzahlungszinsen belangt werden soll. Der Zinslauf beim Subunternehmer beginnt erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Bauträger den Antrag auf Erstattung gestellt hat.

Neue Entwicklung: Der BFH hatte mit Beschluss v. 27.1.2016 – V B 87/15 zur Frage der Aussetzung der Vollziehung in den Bauträgerfällen Stellung genommen und dargelegt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Subunternehmers durch § 27 Abs. 19 UStG bestehen. Darüber hinaus hält es der BFH für ernstlich zweifelhaft, ob der Anspruch des Subunternehmers auf Nachbelastung der Umsatzsteuer entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden ist.

Die Finanzverwaltung interpretiert nun diesen Beschluss wie folgt:

  1. Die vom Bauträger und Subunternehmer damals übereinstimmend angenommene Steuerschuldumkehr entfällt gemäß § 17 UStG erst, wenn der Bauträger die Umsatzsteuer an den Subunternehmer bezahlt.
  2. Der Subunternehmer hat die Leistung erst zu versteuern, wenn er den darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag vereinnahmt hat.

Es ist ein BMF-Schreiben hierzu in Arbeit. Damit möchte die Finanzverwaltung die Zinserstattung beim Bauträger vermeiden und – soweit der Subunternehmer gar nicht mehr in Anspruch genommen werden kann – auch die Auszahlung der Umsatzsteuer. Die Finanzverwaltung stellt nun die Inanspruchnahme des Subunternehmers bis auf weiteres zurück. Sie weist in den Schreiben an die Bauträger darauf hin, dass die Anträge auf Erstattung zurückzunehmen sind, da diese unbegründet sind. Es erstaunt doch sehr, wie der Beschluss des V. Senats von der Finanzverwaltung ausgelegt wird, um sich nun schadlos zu halten.

Empfehlung: Sie sollten sich von der Finanzverwaltung schriftlich bestätigen lassen, dass auch nach Ablauf der Karenzzeit des § 233a Abs. 2a AO beim Subunternehmer keine Zinsen festgesetzt werden, da die Festsetzung der Umsatzsteuer ja nun zurückgestellt wird. Auf Seiten des Bauträgers sollten Sie weiterhin auf dem Antrag beharren und das weitere Vorgehen abwarten. Der Gang zum Finanzgericht ist damit vorprogrammiert.

Quellen: NWB Experten-Blog, Meldung v. 23.3.2016 sowie u.a. Steuerberaterverband Niedersachsen Sachsen-Anhalt e.V. online

Verfahrensrecht/Umsatzsteuer | Haftung des Abtretungsempfängers beim „echten Factoring“ (BFH)


pictureDer BFH hat zur Haftung des Abtretungsempfängers für Umsatzsteuer beim sog. echten Factoring entschieden (BFH, Urteil v. 16.12.2015 – XI R 28/13; veröffentlicht am 9.3.2016).  Im Grundsatz überträgt der BFH die Regelungen, die für Abtretungsempfänger gelten (z.B. Banken im Rahmen von Zessionsverträgen) auf die Fälle des echten Factorings.

Hier die wichtigsten Aussagen des Urteils:

  • Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) – wie der Abtretungsempfänger einer Forderung unter den Voraussetzungen des § 13c UStG -, kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
  • Die Haftung nach § 13c Abs. 1 UStG beschränkt sich nicht auf Fälle der Sicherungsabtretung. Vielmehr unterliegt nach dem Willen des Gesetzgebers auch der „echte“ Factor unter dieser Haftungsvorschrift.
  • Die Haftung des Abtretungsempfängers entspricht dem Regelungszweck des § 13c UStG, der darin besteht, Umsatzsteuerausfälle zu vermeiden, und eine „Garantiehaftung“ begründet (Anschluss an bisherige Rechtsprechung des BFH)
  • Weder das Verfassungs- noch das Unionsrecht stehen einer Haftung des Abtretungsempfängers nach § 13c UStG entgegen.

    Quelle: NWB Datenbank

Steuerliche Problemfelder bei der Unternehmenssanierung


Bei der Sanierung eines Unternehmens in der Krise sind immer auch die möglichen steuerlichen Folgen der Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Dabei liegen vor  allem drei Themen  regelmäßig auf dem Tisch:

  • die Steuerpflicht eines Sanierungsgewinnes,
  • der Untergang von Verlustvorträgen bei Investoreneintritt zum Zwecke der Sanierung,
  • die Wirkungen der Mindestbesteuerung.

Alle diese Fragen stehen im Übrigen nicht nur bei der außergerichtlichen Sanierung an, sondern auch bei der Restrukturierung mithilfe des Insolvenzrechtes, z.B. in einem Insolvenzplanverfahren.

 

Sind Sanierungsgewinne steuerpflichtig?

Hilfreich für die Sanierungspraxis wäre es sicherlich, wenn an dieser Stelle kein Fragezeichen stehen müsste. Tatsächlich herrscht  aber gegenwärtig keine Rechtssicherheit.

Sanierungsmaßnahmen sind häufig mit Forderungsversuchten von Gläubigern verbunden. Daraus entsteht regelmäßig eine bilanzierter Buchgewinn, der – soweit er nicht durch Verlustvorträge neutralisiert werden kann, auch grundsätzlich steuerpflichtig ist. Bis  2002 war durch gesetzliche Regelung im EStG der Sanierungsgewinn steuerbefreit. Der Gesetzgeber hat diese Regelung dann aufgehoben.  In der Praxis existiert die Steuerbefreiung des Sanierungsgewinnes aber weiter,  weil die Finanzämter den sog. Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums aus 2003 anwenden. Dieser führt in einem mehrstufigen Verfahren (Verrechnung mit Verlustvorträgen, die Steuerstundung und anschließenden Steuererlass) letztlich zur Steuerbefreiung des Sanierungsgewinnes auf dem Wege sog. Billigkeitsmaßnahmen, zumindest für die Ertragsteuern, die durch die Finanzämter verwaltet werden: die Körperschaft- und die Einkommensteuer.

Als weitere Ertragsteuer, die an einen Sanierungsgewinn anknüpft kommt jedoch regelmäßig die Gewerbesteuer ins Spiel. Die wird von den Kommunen erhoben, die an Billigkeitsmaßnahmen der Finanzämter nicht gebunden sind. Folglich sind auch diese durch gesonderte Anträge, die auf den gleichen Argumenten fußen, zur Erzielung der Steuerfreiheit einzubinden. Allerdings  entscheiden die Kommunen nach eigenem Ermessen entscheiden und sind nich an den Sanierungserlass des BMF gebunden.
Das größte aktuelle Problem liegt aber darin, dass der Sanierungserlass selbst auf rechtlich wackeligen Beinen steht. Gegenwärtig liegt die Frage der Rechtmäßigkeit des Erlasses dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vor. Im Raum stehen vor allem zwei Fragen: 1. Kann die Verwaltung (also das Bundesfinanzministerium) quasi durch die Hintertür wieder die Regelung – nämlich die Steuerfreiheit – einführen, die der Gesetzgeber zuvor ausdrücklich abgeschafft hat? 2. Ist die Steuerfreistellung des Sanierungsgewinnes möglicherweise eine Verstoß gegen das EU-Beihilferecht, weil es deutsche Unternehmen wettbewerbswidrig  privilegiert? Eine Entscheidung wird möglicherweise in 2016 fallen, falls der Große Senat des BFH nicht letztere Frage zunächst dem EuGH zur Stellungnahme vorlegt.

Anteilskauf durch Investoren

Ein weiteres Problemfeld bei Kapitalgesellschaften ist der Erwerb von Anteilen am zu sanierenden Unternehmen durch einen externen Investor. Häufig ist gerade der Einstieg eines externen Investors der einzige Weg um frisches Eigenkapital zu besorgen und damit auch Fremdkapitalgeber wie Banken und Lieferanten bei der Stange zu halten.

Werden aber durch diesen Beteiligungskauf mehr als 25% des vorherigen Stammkapitals übertragen, geht ein Verlustvortrag bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer anteilig in Höhe der übertragenen Beteiligungsquote unter. Werden mehr als 50% übertragen geht der Verlustvortrag ganz unter. D.h. Verluste, die ja gerade bei Krisenunternehmen häufig in der Vergangenheit entstanden sind, können für die Sanierung nicht mehr genutzt werden (§ 8c Abs. 1 KStG).

Der deutsche Gesetzgeber hatte dieses Problem durchaus gesehen, und im § 8c Abs. 1a KStG eine Ausnahmeregelung für den Fall der Sanierung vorgesehen, wenn tatsächlich frisches Eigenkapital zugeführt wird. Diese Regelung hat die europäische Kommission jedoch für europarechtswidrig erklärt und die weitere Anwendung untersagt. Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsbehelfsfrist gegen diesen Beschluss versäumt hat, müssen wir also gegenwärtig damit leben, dass die Verlustvorträge untergehen.

Eingeschränkte Verlustverrechnung durch die Mindestbesteuerung

Selbst wenn der Verlustvortrag nutzbar bleibt, ganz oder nur teilweise (z.B. im Jahr des Eintritts eines Investors), tritt ein weiteres steuerliches Problemfeld hinzu: die  sog. Mindestbesteuerung. Die Regel besagt folgendes: Verluste können nur bis zu einer Million Gewinn unbeschränkt abgezogen werden und darüberhinaus nur zu 60%. Das heisst, dass 40% des Sanierungsgewinnes, der 1 Mio € übersteigt, immer steuerpflichtig bleiben.

Andere Problemfelder

Vorstehend haben wir nur die „Standard-Probleme“ aufgezeigt, die bei nahezu jeder Sanierung in steuerlicher Hinsicht auftreten.
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass auch andere Steuerarten tangiert werden können, so z.B. die Erbschafts- und Schenkungssteuer und fast immer die Umsatzsteuer. Gerade letztere stellt vor allem bei der Sanierung mittels Insolvenzrecht (z.B. Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltung, Insolvenzplan) eine besondere Herausforderung dar.

BMF: Anwendungsregelung zum BFH-Urteil vom 24.09.2014 zu § 55 Abs. 4 InsO

ESUG - neue Sanierungschancen

Das BMF hat jetzt die lange benötigte Klarstellung zur Anwendung des BFH-Urteils vom 24.09.2014 vorgenommen. Demnach sind die Grundsätze des BFH-Urteils für solche Insolvenzverfahren anzuwenden, bei denen die Sicherungsmaßnahmen, also die vorläufige Insolvenzverwaltung, nach dem 31.12.2014 angeordnet wurden.

BMF-Schreiben:
Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Abgabenordnung/2015-11-18-insolvenzordnung-anwendungsfragen-zu-paragraf-55-absatz-4-InsO.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Hier noch einmal die Leitsätze des BFH-Urteils vom 24.09.2014:

Umsatzsteuer im Insolvenzeröffnungsverfahren

Leitsätze

1. Verbindlichkeiten werden nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen.

2. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht.