Erbschaft- und schenkungssteuerliche Behandlung von Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften- unter besonderer Berücksichtigung der Problematik bei der Sanierung von Unternehmen

keine Steuervergünstigung für vererbte Betriebe bei Insolvenz

Die Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz (kurz ErbStG) genoss nicht zuletzt wegen des „sehr planvollen Zustandekommens“ durch die Zustimmung des Bundesrats am 14.10.2016 hohe mediale Aufmerksamkeit. Dessen vorangegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2014, das das geltende Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz für teilweise verfassungswidrig einstufte. Hauptkritikpunkt waren die Befreiungsvorschriften für Betriebsvermögen in Form der Verschonungsabschläge.

Dieser Artikel befasst sich mit den Neuerungen bezüglich der unentgeltlichen Übertragung von Betriebsvermögen oder Anteilen an Kapitalgesellschaften im Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz und beleuchtet dabei die erbschaft- und schenkungssteuerliche Problematik im Hinblick auf die Sanierung von Unternehmen.

Erbschaft- und schenkungssteuerliche Behandlung von Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften

Der Erbschaft- und Schenkungssteuer unterliegen

  • Der Erwerb von Todes wegen
  • Die Schenkungen unter Lebenden sowie
  • Die Zweckzuwendungen.

Voraussetzung ist, dass der Erblasser bzw. der Schenker zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland innehatten. Als steuerpflichtiger Erwerb im Sinne des ErbStG gilt auch die unentgeltliche Übertragung eines Unternehmens bzw. die Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften.

Die Höhe des Erwerbs von Unternehmen und Anteilen und somit die Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungssteuer bemisst sich grundsätzlich nach dem gemeinem Wert. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgut bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 S. 1 BewG). Die Höhe des Erwerbs richtet sich also grundsätzlich nach dem Kaufpreis, den ein fremder Dritter für das Unternehmen bzw. die Anteile als angemessen erachten würde.

Damit durch die Erhebung der Erbschaft- und Schenkungssteuer keine Arbeitsplätze gefährdet werden, räumt der Gesetzgeber weitreichende Befreiungsvorschriften für den Erwerb von Betriebsvermögen und Anteilen am Betriebsvermögen ein. Dies ist im Wesentlichen der Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG. Mit dem Verschonungsabschlag ist die anteilige oder gänzliche Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungssteuer gemeint. Die grundsätzliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags ist, dass es sich beim übertragenen Vermögen um begünstigtes Vermögen nach § 13b ErbStG handelt, das vorliegt, wenn

  • ein inländischer Wirtschaftsanteils des land- und forstwirtschaftliches Vermögens,
  • inländisches Betriebsvermögens eines selbstständigen Betriebs oder Teilbetriebs oder
  • Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser bzw. der Schenker zu mindestens 25% am Nennkapital beteiligt war,

übertragen werden. Nicht zum begünstigten Betriebsvermögen gehört Verwaltungsvermögen, welches sich dadurch auszeichnet, dass es nicht unmittelbar dem Betrieb dient.

Der Verschonungsabschlag für das begünstigte Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG beträgt wahlweise 85% oder 100%. Der Verschonungsabschlag ist im Wesentlichen an zwei Bedingungen geknüpft:

  • Lohnsummenregelung
  • Behaltensfrist

Die Lohnsummenregelung besagt, dass innerhalb der Lohnsummenfrist eine bestimmte Mindestlohnsumme nicht unterschritten werden darf. Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Steuerbefreiung nur bewilligt wird, sofern die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Dabei wird auf die Ausgangslohnsumme (durchschnittliche Bruttogehälter der letzten fünf Jahre) abgestellt, die sodann mit einem Faktor multipliziert wird. Das sich daraus ergebende Produkt ist die die Mindestlohnsumme, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht unterschritten werden darf.

Mit der Behaltensfrist ist geregelt, dass das übernommene Vermögen innerhalb dieser nicht veräußert oder entnommen werden darf.

Wenn man der Lohnsummenregelung oder der Behaltensfrist zuwider handelt, wird der Verschonungsabschlag anteilig rückgängig gemacht und die Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer nacherhoben. Bezüglich dieser Bedingungen für den Verschonungsabschlag gab es zahlreiche Neuerungen durch die Reform, die im Folgenden gegenübergestellt werden:

  • Verschonungsabschlag nach altem Recht bis zum 30.06.2016
Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen Mögliche Begünstigungen Auswirkung auf die Behaltens- und Lohnsummenregelung
Unter 20 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85% Behaltensfrist 5 Jahre

Lohnsummenregelung gilt nicht

Unter 20 Beschäftigte Verschonungsabschlag 100% Behaltensfrist 7 Jahre

Lohnsummenregelung gilt nicht

Über 20 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85% Behaltensfrist 5 Jahre

Mindestens 400% der Ausgangslohnsumme

Über 20 Beschäftigte Verschonungsabschlag 100% Behaltensfrist 7 Jahre

Mindestens 700% der Ausgangslohnsumme

Der Verschonungsabschlag ist nach altem Recht nur zu gewähren, soweit der Anteil des nicht begünstigten Vermögens (Verwaltungsvermögen) am Betriebsvermögen 50% nicht übersteigt. Bei dem Verschonungsabschlag von 100% schmilzt der Anteil auf 10%.

  • Verschonungsabschlag nach neuem Recht ab dem 30.06.2016
Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen Mögliche Begünstigungen Auswirkung auf die Behaltens- und Lohnsummenregelung
Nicht mehr als 3 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85% Behaltensfrist 5 Jahre

Lohnsummenregelung gilt nicht

Nicht mehr als 3 Beschäftigte Verschonungsabschlag100 % Behaltensfrist 7 Jahre

Lohnsummenregelung gilt nicht

4 bis 10 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85 % Behaltensfrist 5 Jahre

Mindestens 250% der Ausgangslohnsumme

4 bis 10 Beschäftigte Verschonungsabschlag100 % Behaltensfrist 7 Jahre

Mindestens 500% der Ausgangslohnsumme

11 bis 15 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85 % Behaltensfrist 5 Jahre

Mindestens 300% der Ausgangslohnsumme

11 bis 15 Beschäftigte Verschonungsabschlag100 % Behaltensfrist 7 Jahre

Mindestens 565% der Ausgangslohnsumme

Über 15 Beschäftigte Verschonungsabschlag 85 % Behaltensfrist 5 Jahre

Mindestens 400% der Ausgangslohnsumme

Über 15 Beschäftigte Verschonungsabschlag100 % Behaltensfrist 7 Jahre

Mindestens 700% der Ausgangslohnsumme

Der Verschonungsabschlag ist nach neuem Recht nur zu gewähren, soweit der Anteil des nicht begünstigten Vermögens (Verwaltungsvermögen) am Betriebsvermögen 50% nicht übersteigt. Bei dem Verschonungsabschlag von 100% schmilzt der Anteil auf 20%.

Wesentliche Neuerung im Vergleich zum alten Recht ist der neugefasst § 13c ErbStG. Dieser beschränkt den Umfang der Inanspruchnahme der Verschonungsabschläge für besonders hohe Erwerbe.

Sobald die Grenze von 26 Mio. € für den Erwerb von begünstigtem Vermögen überschritten wird, verringert sich der Verschonungsabschlag um jeweils einen Prozentpunkt für jede vollen 750.000 €, die der Wert des begünstigten Vermögens die Wertgrenze von 26 Mio. € überschreitet.

Beispiel:

Der Wert des begünstigten Vermögens beträgt 40 Mio. €. Es wird auf Antrag den Verschonungsabschlag in Höhe von 100% begehrt.

Lösung: ((40 Mio. € – 26 Mio. €) / 750.000 €)= 19 Prozentpunkte

Der Verschonungsabschlag beträgt nach § 13c ErbStG 81%. Es sind somit 7,6 Mio. € (40 Mio. € x 19%) des begünstigten Vermögens der Erbschaft- und Schenkungssteuer zu unterwerfen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die größtenteils unwesentlichen Neuerungen beim Verschonungsabschlag sowie die zusätzliche Begünstigung für Familienunternehmen und einer gesetzlich kodifizierten Stundungsmöglichkeit der Erbschaft- und Schenkungssteuer doch mehr von punktuellen Änderungen, als einer Reform sprechen lassen.

Erbschaft- und Schenkungssteuerliche Problematik bei der Sanierung von Unternehmen

Bei der Sanierung eines Unternehmens kommt es immer zu einer Kollision verschiedener Interessen und Anspruchsgruppen. Die Beschäftigten wollen ihre Anstellungen beibehalten, die Gläubiger und die Banken wollen den Forderungsausfall möglich gering halten und die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer wollen in der Regel das Unternehmen „retten“ und die persönliche Haftung möglichst gering halten. Es gilt, je nach Lage des Unternehmens, einschneidende Entscheidungen zu treffen, um das Unternehmen wieder wettbewerbs- und ertragsfähig zu machen.

Nicht selten kommt es dazu, dass Personal freigesetzt wird oder ganze Unternehmenteile in andere Länder verlagert oder fremdvergeben werden (Outsourcing). Eine übertragende Sanierung auf einem neuen Rechtsträger oder die Veräußerung ist ebenfalls eine in der Praxis gängige Methode, um ein Unternehmen zu sanieren.

Sollten die Sanierungsmaßnahmen erfolgreich gewesen sein, so könnte die Geschäftsführung bzw. der Gesellschafter denken, dass mit allen Anspruchsgruppen eine Einigung erzielt worden ist. Die Gläubiger haben offene Forderungen gestundet und/oder teilweise auf diese verzichtet, der Betriebsrat und die Beschäftigten haben dem Personalabbau und/oder der Übertragung des Unternehmens bzw. der Teilbereiche zugestimmt und/oder die Geschäftsführer bzw. die Gesellschafter haben sich mit den Interessenten für das Unternehmen bzw. dessen Teilbereiche geeinigt.

Wenn nun die Eigentümer des Unternehmens in den vergangenen 5 Jahren den Verschonungsabschlag von 85% oder in den vorangegangen 7 Jahren den Verschonungsabschlag von 100% gewählt haben, könnten dies einen sehr prekären Sachverhalt auslösen.

  • Verstoß gegen die Lohnsummenregelung

Nach § 13a Abs. 1 S. 5 ErbStG mindert sich nämlich der Verschonungsabschlag im selbigen prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

Beispiel:

Gesellschafter A ist von seinem leiblichen Vater B 100% der Anteile an der C-GmbH unentgeltlich übertragen worden. Die Schenkung fand am 31.12.2016 statt. Der gemeine Wert des begünstigten Vermögens liegt bei 10 Mio. €. Es wurde der Verschonungsabschlag in Höhe von 85% in Anspruch genommen.

Im Jahre 2017 ist die C-GmbH in finanzielle Schieflage geraten. In 2018 wurde das Unternehmen umfassend saniert. Eine stark defizitäre Produktsparte wurde dabei eingestellt, was zu einer Einsparung an Personalkosten in der Größenordnung von 40% geführt hat. Die Ausgangslohnsumme zum Zeitpunkt der Schenkung beläuft sich auf 5 Mio. €.

Mindestlohnsumme 5 Mio. x 400% = 20. Mio. €

Lohnsumme 2017= 5 Mio. €

Lohnsumme 2018= 3 Mio. €

Lohnsumme 2019= 3 Mio. €

Lohnsumme 2020= 3 Mio. €

Lohnsumme 2021= 3 Mio. €

Lohnsumme gesamt= 17 Mio. €.

Kürzung des Verschonungsabschlags von 85%:

((17/20)x 85%)= 72 %.

Nachversteuerung der Anteile an der C-GmbH:

10 Mio. € x (85%-72%)= 1,3 Mio. €.

Somit hat A einen Betrag von 1,3 Mio. € nachzuversteuern. Bei einem unterstellten Erbschaft- und Schenkungssteuersatz von 19% beträgt die auf diesen Betrag entfallende Erbschaft- und Schenkungssteuer 247.000 €.

  • Verstoß gegen die Behaltensfrist

Nach 13 Abs. 5 S. 2 ErbStG ist der Verschonungsabschlag im Verhältnis zu der im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres der Veräußerung bzw. der Aufgabe zur gesamten Behaltensfrist zu kürzen.

Beispiel:

Die Sanierung der C-GmbH im Jahre 2018 war nicht erfolgreich. Um das Unternehmen zu retten, veräußert A die GmbH-Anteile in 2019 an einen Konkurrenten.

Kürzung des Verschonungsabschlags von 85%:

((2+1)/5)x 85%= 51%.

Nachversteuerung der Anteile an der C-GmbH:

10 Mio. € x (85%-51%)= 3,4 Mio. €.

Somit hat A einen Betrag von 3,4 Mio. € nachzuversteuern. Bei einem unterstellten Erbschaft- und Schenkungssteuersatz von 19% beträgt die auf diesen Betrag entfallende Erbschaft- und Schenkungssteuer 646.000 €.

Wenn sowohl ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung, als auch gegen die Behaltensfrist gegeben ist, kürzt das Finanzamt den Verschonungsabschlag aufgrund der Regelung, welche für den Steuerpflichtigen am günstigsten ist.

Fazit

Wie die Beispiele verdeutlichen, sollte, wenn der Sanierung ein unentgeltlicher Erwerb in den Vorjahren vorausging, unbedingt die Erbschaft- und Schenkungssteuer mit berücksichtigt werden. Unter gewissen Voraussetzungen wäre es nämlich für den oder die Gesellschafter günstiger, ein defizitäres Unternehmen über die Behaltensfrist fortzuführen und in diesem Falle eigene Mittel bereitzustellen, als die Nacherhebung der Erbschaft- und Schenkungssteuer gegen sich ergehen zu lassen. Befreiungsvorschriften oder Möglichkeiten, wonach der Verschonungsabschlag nicht rückwirkend versagt wird, um eine Sanierung durchzuführen und somit den Erhalt des Unternehmens zu gewährleisten, gibt es nach derzeitigem Stand nicht.

Besonders erschwerend kommt hinzu, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Versagung des Verschonungsabschlags auch bei Insolvenzeröffnung erfolgt, da zu diesem Zeitpunkt das Unternehmen regelmäßig aufgegeben wird und oder die Lohnsummen stark zurückgehen. In einigen Fällen kann sich so der unentgeltliche Erwerb eines Unternehmens als „Klotz am Bein“ erweisen, wenn das Unternehmen bereits vor der Übertragung in der Krise befand oder sich die Krise innerhalb der Behaltensfrist entwickelt. Hier stehen gerade die Gesellschafter-Geschäftsführer von nicht persönlich haftenden Gesellschaften im Vordergrund, weil sie auf der einen Seite eine Insolvenzantragspflicht haben und, wenn sie dieser nicht nachkommen, sich persönlich straf- wie zivilrechtlich haftbar machen, auf der anderen Seite aber natürlich die Insolvenzantragsstellung aufgrund der Behaltensfrist soweit wie möglich nach hinten verzögern möchten, um der Nacherhebung von Erbschaft- und Schenkungssteuer zu entgehen.

Es wäre daher ratsam, bereits vor der Übertragung Maßnahmen einzuleiten, um einer notwendigen Sanierung innerhalb der Behaltensfrist zuvorzukommen. Insbesondere steht hierbei die Optimierung der Ausgangslohnsumme neben den sonstigen erbschaft- und schenkungssteuerlichen Maßnahmen im Vordergrund. Gerade durch die Neuerungen der Lohnsummenregelung, die nun auch für Unternehmen unter 20 Beschäftigten gilt, ist eine vorausschauende Planung unerlässlich, da bei kleineren Unternehmen die Lohnsummen der Erfahrung nach ohnehin stark schwanken.

BFH zur ErbSt : Keine Steuervergünstigung auch bei Zwangsverkauf innerhalb Behaltensfrist


„Auch für den Fall, dass eine Freiberuflerpraxis aufgrund gesetzlicher Anordnung veräußert wird, führt die Betriebsveräußerung innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG a.F.) zum Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. „

 Das hat der BFH im Urteil v. 17.3.2010 – II R 3/09 (jetzt erst  veröffentlicht am 23.6.2010) entschieden. 

Der Fall:  Der minderjährige Kläger ist Alleinerbe seines 2006 verstorbenen Vaters, der eine Arztpraxis besaß. Da der Kläger nicht über die für eine Fortführung der freiberuflichen Praxis erforderliche Berufsqualifikation verfügte, beantragten seine gesetzlichen Vertreter bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, den Vertragsarztsitz – also die Praxis – des Vaters öffentlich auszuschreiben. Nach der Ausschreibung wurde die Praxis 2007 im Namen und für Rechnung des Erben verkauft . In seiner Erbschaftsteuererklärung bezifferte der Erbe den Wert der zum Nachlass gehörenden Arztpraxis mit insgesamt 306.326 € und beantragte, ihm für das erworbene Betriebsvermögen die Steuerentlastungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 des ErbStG zu gewähren. Das Finanzamt lehnte dies ab. Dieser Auffassung schloss sich der BFH jetzt an.

Die Begründung des BFH:  Der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen hängt bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht tätigkeitsbezogen davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen vielmehr allein betriebsbezogen auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab. Der Gesetzeswortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst zwar die freiberufliche Einzelpraxis nicht. Da § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aber erkennbar an § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG anknüpft, ist dem Gesetzgeber bei der Abfassung des Abs. 5 Nr. 1 offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen. Das Gesetz kann schon aus systematischen Gründen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis vom Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. Vielmehr ergibt sich aus der in § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 96 BewG angeordneten Gleichbehandlung des freiberuflichen und gewerblichen Betriebsvermögens, dass auch freiberufliche Einzelpraxen von § 13a Abs. 1 ErbStG erfasst werden. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist nicht in Fällen, in denen die Veräußerung zwangsweise oder sogar kraft gesetzlicher Anordnung erfolgt, teleologisch zu reduzieren.

 

Anmerkung: Der BFH führt damit die Rechtsprechung fort, die kürzlich bereits im zusammenhang mit dem Zwangsverkauf eines Unternehmens im Rahmen einer Insolvenz ergangen ist (siehe hier). Auch in jenem Fall hatte das Gericht entschieden, dass der Gesetzgeber nicht habe erkennen lassen, dass er für gewisse Zwangssituationen, die die Behaltefrist beenden oder unmöglich machen, die Anwendung der Steuerbvergünstigung gewollt habe. Insoweit sah der BFH im Hinblick auf § 13 a Abs. 5 ErbStG a.F. keinen Anlass zur Einschränkung der gesetzlichen Formulierung.   

Quelle: BFH online

BFH: Kein Erlass von Erbschaftsteuer aufgrund einer Insolvenz


keine Steuervergünstigung für vererbte Betriebe bei Insolvenz
keine Steuervergünstigung für vererbte Betriebe bei Insolvenz

Die Erbschaftsteuer wird nicht erlassen, wenn Betriebsvermögen binnen fünf Jahren nach dem Erbfall wegen Insolvenz veräußert oder aufgegeben wird. Der Bundesfinanzhof entschied, dass diese Vergünstigungen nur für den Fall gewährt werden, dass der Betrieb fortgeführt wird (Aktenzeichen: II R 25/08).

Diese Entscheidung ist noch zum Erbschaftsteuerrecht alter Fassung ergangen. Der Fall beinhaltet jedoch eine Grundproblematik, die im neuen Recht noch verschärfter zu Tage tritt. 
Der Fall des BFH: Geschwister hatten im August 1996 einen Betrieb von ihrem verstorbenen Vater geerbt. Dieses Betriebsvermögen wurde mit den erheblichen Freibeträgen und Bewertungsabschlägen des alten § 13a ErbStG besteuert. Die Vorschrift knüpfte die Steuervergünstigung aber an die Bedingung, dass der Betrieb durch die Erben mindestens fünf Jahre fortgeführt werden musste, also auch nicht verkauft werden durfte. Über das Vermögen der Firma wurde aber am 1.3. 2001, also nach Ablauf von ca viereinhalb Jahren das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verkaufte den Betrieb an einen Investor. Das Finanzamt setzte darauf die Erbschaftststeuer ohne die Freibeträge des alten § 13a fest (Nachversteuerung), weil das Betriebsvermögen innerhalb der Fünfjahresfrist veräußert wurde. Hinsichtlich der daraus entstehenden Steuerbeträge beantragten die Steuerpflichtigen den Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen, implizit wohl mit der Argumentation, dass die Insolvenz als mehr oder weniger „höhere Gewalt“ nicht mit der freiwilligen Veräußerung eines Betriebes gleichgesetzt werden könnte. Das Finanzamt lehnte den Erlass ab. Einsprüche und Klage blieben ohne Erfolg. Letztendlich folgte auch der BFH der Argumentation des Finanzamtes.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe:
Der BFH vertritt die Auffassung, dass nicht erkennbar ist, dass die Anwendung des § 13a ErbStG auf Insolvenzfälle eine im Einzelfall ungerechte Rechtsfolge sei. Dies setze voraus, dass der Gesetzgeber mit der Regelung solche Fälle eigentlich nicht gemeint habe und damit die Anwendung seinen Wertungen und Absichten zuwider liefe. Der Gesetzgeber habe aber bei der sog. Behaltefrist und Fortführungsklausel nicht erkennen lassen, dass er Insolvenfälle davon ausnehmen wolle. Der BFH hatte hierzu schon in mehreren Urteilen zuvor entschieden, dass der Wegfall der Vergünstigungen selbst dann im Einklang mit dem Gesetz steht, wenn der Betrieb krisen- oder insolvenzbedingt veräußert wird.  Auch die relativ geringe Unterschreitung der Fünfjahresfrist ist für den BFH irrelevant. In einfachen Worten: Wenn der Gesetzgeber fünf Jahre sagt, meint er auch fünf Jahre.
 
Fazit: Die erbschaftsteuerrechtlichen Vergünstigungen des alten Erbschaftsteuerrechts bleiben dem Erben nur dann erhalten, wenn er den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführt.
 
Auswirkungen auf die neue Rechtslage?
 
Der neue § 13a ErbStg hat die sogenannten Behalteregelungen noch verschärft, indem er sie nicht nur an die Fortführung des Betriebes für mindestens fünf Jahre knüpft.  Zusätzlich muss der Erbe (oder Beschenkte)  innerhalb der fünf Jahre Jahre mindestens 400% der Lohnsumme wie sie am  Erb-oder Schenkungsstichtag bestand, fortzahlen. Gemeint ist damit also, die betriebliche Personalstruktur annähernd  erhalten wird.   Damit ist aber ein wesentlicher Handlungsspielraum zur Sanierung und Vermeidung von Insolvenzen, nämlich der Abbau von Personalkosten genommen.  Diese Problematik ist im Gesetzgebungsverfahren mehrfach auf allen Ebenen diskutiert worden. Ursprünglich waren hier Behaltefristen von 7 und 10 Jahren im Gespräch. Trotzdem war kein Verzicht auf die Lohnsummen-Regelung insgesamt zu erzielen.
Nun kann man sagen, wenn der Betrieb eines Erben in die Insolvenz fällt, wird er möglicherweise andere Probleme haben, als eine nachträgliche ErbSt-Belastung. Das mag in vielen Fällen richtig sein, besonders wenn mit der betrieblichen Insolvenz auch die private des Betriebsinhabers und früheren Erben verbunden ist. Ganz anders sieht  das aber in Schenkungsfällen aus, für die das ErbStG ja auch gilt:  Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG sind in solchen Fällen nämlich Beschenkter und Schenker gemeinsam Schuldner der darauf Erbschafts- und Schenkungssteuer. Das kann im Ergebnis bedeuten: ist der Beschenkte pleite, zahlt der Schenker.

Die Konsequenz daraus ist, dass schon bei der Abfassung von Schenkungsverträgen an diese Folgen gedacht und vorbeugende Regelungen getroffen werden müssen, die insolvenz- und steuerrechtlich wasserdicht sind.