FG Rheinland-Pfalz | Betriebsprüfung | „Chi-Test“ allein kein Grund, Buchführung zu beanstanden


Das FG Rheinland-Pfalz musste entscheiden , ob Auffälligkeiten bei dem sogenannten „Chi–Quadrat-Test“ zur Beanstandung der Buchführung und damit zur Schätzung eines höheren Umsatzes/Gewinns berechtigen, wenn sonst keine weiteren Mängel der Buchführung gegeben sind (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.8.2011 – 2 K 1277/10).

Hintergrund: Mit dem sog. „Chi.Quadrat-Test“ werden Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit untersucht. Er stellt eine Methode dar, bei der empirisch festgestellte und theoretisch erwartete Häufigkeiten verglichen werden und fußt auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der bei seinen Einnahmen unzutreffende Werte in das Kassenbuch/die Kassenberichte eingibt, unbewusst eine Vorliebe für gewisse Lieblingszahlen hat und diese entsprechend häufiger verwendet.
Statistisch müsste bei einer ausreichend großen Datenmenge aber jede Ziffer mit der gleichen Häufigkeit auftauchen.
Der Streitfall: Im Friseursalon der Klägerin fand für 2005 bis 2007 eine steuerliche Außenprüfung statt. Der Prüfer, dass die Kassenbücher in Form von Excel-Tabellen geführt worden seien. Die gesetzlich geforderte Unveränderbarkeit der Kassenbucheintragungen sei damit nicht gewährleistet, weil die Eintragungen verändert werden könnten, ohne dass dies in Excel dokumentiert würde. Die Klägerin habe nicht darlegen und dokumentieren können, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und nachträgliche Änderungen nicht zulasse. Die im Rahmen der Prüfung durch eine elektronische Auswertung der KAssendaten erstellte Strukturanalyse und der darin enthaltene „Chi-Test“ hätten eine 100%-ige Manipulationswahrscheinlichkeit ergeben. Der Prüfer / das Finanzamt erhöhten die erklärten Umsäte im Rahmen einer Hinzuschätzung um jährlich 3.000.- €, was auch entsprechende Gewinnerhöhungen zur Folge hatte. Mit der Klage machte die Klägerin geltend, der Prüfer habe keine Beweise für eine Manipulation gefunden. Eine von ihm durchgeführte und später nicht mehr erwähnte Kalkulation habe sogar unter den erklärten Betriebsergebnissen gelegen. Mit dieser Klage war sie jetzt erfolgreich.

Die Meinung des Finnazgerichtes hierzu: „Das Finanzamt hat im Streitfall nicht dem ihm obliegenden Nachweis erbracht, dass das eingesetzte Kassenprogramm Manipulationen ermöglicht. Entgegen der Ansicht des Prüfers ist es nämlich nicht Sache des Steuerpflichtigen, „darzulegen bzw. zu dokumentieren“, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und Änderungen nicht zulässt. Der Nachweis einer Manipulationsmöglichkeit obliegt vielmehr dem Finanzamt. Die vom Finanzamt behauptete „Manipulationswahrscheinlichkeit von 100%“ auf Grund des vom Prüfer durchgeführten „Chi-Quadrat-Test“ kann nicht zu einer Zuschätzungsbefugnis führen. Der Test allein ist jedenfalls nicht geeignet, Beweise dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, abgesehen davon, dass er bei einem Friseursalon, bei dem – wie hier – für die Leistungen ausschließlich volle bzw. halbe Euro-Beträge berechnet werden, ungeeignet erscheint. Ausgehend von der Preisliste des Friseursalons ergibt sich, dass naturgemäß die Zahl 0 wie auch die Zahlen 1, 4, 5 überdimensional häufig auftreten müssen (z.B Föhnfrisur: 15.- €; Färben: 25.- € bzw. 46,50 €; Föhnen 40,50 €).“

Anmerkung: Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

FG: Urteil zum Chi-Test

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. 2.11.2011


Endlich einmal wieder eine der raren Entscheidungen zur elektronischen Betriebsprüfung, insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Umfang der Aussagekraft der eingesetzten statischen Prüfverfahren. Das Finanzamt vermiedet es in der Regel, diese Verfahren gerichtlich überprüfen zu lassen, wohl aus gutem Grunde, wie der vorliegende Fall zeigt. Selbst in Fällen , in denen durch Finanzgerichte Revisionen zugelassen werden, um die grundsätzliche Bedeutung der statistischen Prüfungsverfahren durch den BFH prüfen zu lassen, schreckt die Finanzverwaltung vor der Einlegung der Revision zurück. Das war beim schon Urteil des FG Köln zum Zeitreihenvergleich so (FG Köln v. 27.01.2009 – 6 K 3954/07), und auch im vorliegenden Fall wurde ttotz der Zulassung keine Revision durch das Finanzamt eingelegt.

FG Münster: Elektronische Version des Fahrtenbuchs unterliegt strengen Anforderungen


Ein elektronisch geführtes Fahrtenbuch wird für die Ermittlung der privat veranlassten Fahrten steuerlich nur dann anerkannt, wenn nachträgliche Veränderungen der aufgezeichneten – steuerlich relevanten – Daten ausgeschlossen sind (FG Münster, Urteil v. 4.2.2010 – 5 K 5046/07 E,U).

Finanzgericht Münster - Frontansicht -Sachverhalt: Die Klägerin nutzte ihre im Betriebsvermögen befindlichen Fahrzeuge auch für Privatfahrten. Die Fahrzeuge waren mit Fahrdatenspeichern ausgestattet, die für jede Fahrt automatisch Datum, Uhrzeit, Fahrdauer, Tachostand und gefahrene Kilometer aufzeichneten. Art, Ziel und Zweck der Fahrt konnten dagegen manuell eingegeben werden. Die Daten wurden zunächst im Fahrdatenspeicher festgehalten und konnten mit Hilfe einer Software ausgelesen und auf einem externen PC gespeichert werden. Nach der Datenübertragung konnten die automatisch aufgezeichneten Daten nicht mehr verändert werden, wohl aber die manuellen Eingaben hinsichtlich Art, Ziel und Zweck der Fahrt.

Die Klägerin legte ihrer Gewinnermittlung die mittels des elektronischen Fahrtenbuchs berechneten Privatanteile als Nutzungsentnahme zu Grunde. Das Finanzamt beanstandete das Fahrtenbuch dagegen als nicht ordnungsgemäß und berücksichtigte die Privatfahrten – steuerlich nachteilig – mit der sog. 1%-Methode.

Dazu führt das Gericht weiter aus: Die von der Klägerin gewählte Aufzeichnungsmethode ist nicht geeignet, den fortlaufenden und lückenlosen Charakter der Angaben sowie ihre zeitnahe Erfassung mit hinreichender Zuverlässigkeit zu belegen. Manipulationsmöglichkeiten sind nicht ausgeschlossen. Zwar seien im Streitfall die automatisch aufgezeichneten Daten hinsichtlich Datum, Uhrzeit, Fahrdauer, Tachostand und gefahrenen Kilometern nicht mehr nachträglich änderbar. Dies gelte allerdings nicht für die Angaben zu Art, Zweck und Ziel der Fahrten. So besteht die Möglichkeit der jederzeitigen – nicht nachvollziehbaren – Änderung von Daten, die für die Abgrenzung der betrieblichen von den privaten Fahrten relevant sind.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung

ANMERKUNG HB: Hier wird konsequent die rein formal orientierte Betrachtung fortgesetzt, die wir bereits aus der Vergangenheit des handschriftlichen Fahrtenbuchs und noch viel extensiver zum Themenkreis „Kassenführung“ kennen. Das Problem in der Praxis: Es ist kaum einem Steuerpflichtigen klarzumachen, dass obwohl kein einziger inhaltlicher Mangel in den Aufzeichungen besteht, die Buchführung, oder hier das Fahrtenbuch, verworfen werden können, weil eine theoretische Manipulationsmöglichkeit besteht. Das Argument wäre akzeptabel, wenn sich die Finanzbehörden darauf beschränken würden, es  als zusätzliches Argument bei festgestellten inhaltlichen Mängeln anzuführen. In der Wirklichkeit findet jedoch gar keine inhaltliche Prüfung von Aufzeichnungen mehr statt, wenn bereits das formale Argument der “ theoretischen Manipulationsanfälligkeit“ ausreicht, um eine Schätzung zu rechtfertigen. Das führt im Ergebnis dazu, dass selbst dann geschätzt wird, wenn die Aufzeichnungen inhaltlich richtig sind.