FG Köln: Geschäftsführerhaftung im Insolvenzverfahren der GmbH


clause-684509_640Dem Geschäftsführer einer GmbH als Haftungsschuldner sind Einwendungen gegen die Höhe der seiner Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Steuerschulden nach § 166 AO abgeschnitten, wenn er im Insolvenzverfahren der Feststellung der entsprechenden Forderungen nicht widersprochen hat (FG Köln, Urteil vom 18.01.2017 – 10 K 3671/14; Revision anhängig).
Sachverhalt: Der Kläger war  Mehrheitsgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Im Zuge einer Betriebsprüfung für mehrere Jahre wurde festgestellt, dass einige bislang in den Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten der GmbH nicht mehr passiviert werden dürften. Hieraus ergaben sich Körperschaftsteuerforderungen. Die Sache ging vors Finanzgericht. Während des laufenden finanzgerichtlichen Klageverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Steuerforderungen des FA wurden zur Insolvenztabelle festgestellt. Der finanzgerichtliche Rechtsstreit wurde von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Ein eigener Widerspruch des Klägers als Geschäftsführer der GmbH gegen die Steuerforderungen des FA wurde im Zuge des Insolvenzverfahrens nicht erhoben. Da die Steuerforderungen in der Insolvenzmasse der GmbH nicht zu realisieren waren, wurde der Kläger  für die Steuerrückstände der GmbH in Haftung genommen.

Der Kläger machte im Haftungsverfahren geltend, dass gegen die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Körperschaftsteuerfestsetzung für 2010 seinerzeit Klage erhoben worden sei. Aus nicht erklärlichen Gründen habe der Insolvenzverwalter seine ursprünglichen Einwendungen gegen die festgesetzten Steuerschulden jedoch zurückgenommen, ohne dass sich der Kläger hiergegen habe zur Wehr setzen können. Als Vertreter der GmbH sei er im Insolvenzverfahren seiner ursprünglichen Verfügungsmöglichkeiten beraubt gewesen.

Diese Sichtweise teilte das Gericht nicht und führte dazu aus:
„Das FA hat die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Klägers nach § 69 Satz 1 AO auf erster Stufe zu Recht als in seiner Person erfüllt angesehen. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt die Organstellung des Geschäftsführers einer GmbH unberührt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das FA gehindert, einen Steuerbescheid wirksam zu erlassen. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle stellt in diesem Fall das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Steuerfestsetzung durch Verwaltungsakt dar.
Im Streitfall hatte das FA sämtliche Forderungen, für die es den Kläger nachfolgend in Haftung genommen hat, zur Insolvenztabelle angemeldet. Nachdem der Insolvenzverwalter seinen gegen diese Forderungen zunächst erhobenen Widerspruch im Laufe des Insolvenzverfahrens zurückgezogen hatte, wurden diese widerspruchslos festgestellt und in die Tabelle eingetragen.
Der Kläger als Geschäftsführer der GmbH hatte nach § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 184 InsO daneben ein eigenes Widerspruchsrecht, hat den Steuerforderungen jedoch nicht widersprochen. Damit sind ihm etwaige Einwendungen gegen die Steuerforderungen im Haftungsverfahren nunmehr nach § 166 AO abgeschnitten.
Der Kläger war unstreitig zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH bestellt und als solcher gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG deren gesetzlicher Vertreter i.S.d. § 34 Abs. 1 AO. Als Geschäftsführer hatte er die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen und daher insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den von ihm für die GmbH verwalteten Mitteln gezahlt werden.“
Hinweise:
Die Revision wurde zugelassen, da die Frage, ob dem Haftungsschuldner Einwendungen gegen die Höhe der seiner Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden Steuerschulden nach § 166 AO abgeschnitten sind, weil er im Insolvenzverfahren der Feststellung der entsprechenden Forderungen als Geschäftsführer des Steuerschuldners nicht widersprochen hat, bislang höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Das Az. der Revision lautet XI R 9/17.

Ungeachtet dessen ist jedem Geschäftsführer im Insolvenzverfahren der GmbH anzuraten, die Mitwirkung auch im Hinblick auf die Prüfung der Insolvenzforderungen ernst zu nehmen und sich hierzu auch ggf. Rat zu holen. Bei entsprechender Beratung im Vorfeld des Haftungsbescheides wäre möglicherweise das Risiko der Haftung für die Körperschaftsteuer bereits erkennbar gewesen. 

Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Köln verfügbar.
Quelle: FG Köln, Urteil vom 18.01.2017 – 10 K 3671/14 / NWB-Datenbank

BAG: Ausschlussfrist im Insolvenzplan für Klage bei bestrittener Forderung regelmäßig wirksam


Eine Klausel in einem Insolvenzplan, nach der bestrittene Forderungen bei der Verteilung nur berücksichtigt werden, wenn innerhalb einer Ausschlussfrist Klage auf Feststellung zur Tabelle erhoben wird, ist in der Regel wirksam. Dies begründet das Bundesarbeitsgericht damit, dass eine solche Klausel lediglich die Verteilung der Masse regele, aber nicht den materiell-rechtlichen Anspruch berühre. Die Forderungen der aufgrund einer solchen Klausel zunächst nicht berücksichtigten Insolvenzgläubiger würden nicht dauerhaft entwertet. Insbesondere hindere eine solche Klausel die Durchsetzung der Planquote nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Wege der Leistungsklage nicht (Urteil vom 19.11.2015, Az.: 6 AZR 559/14).

 

QUELLE: Beck-aktuell

http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bag-ausschlussfrist-im-insolvenzplan-fuer-klage-bei-bestrittener-forderung-regelmaessig-wirksam

Verfahrensrecht | Feststellungsbescheid im Insolvenzverfahren (BFH)


BEFELDT Steuerberater Lippstadt Fiskusvorrecht Insovlenzverfahren
Feststellungebscheide über Insolvenzforderungen nicht mehr änderbar

Verfahrensrecht | Feststellungsbescheid im Insolvenzverfahren (BFH)

Ein bestandskräftiger Feststellungsbescheid über eine Umsatzsteuernachzahlung als Insolvenzforderung steht einer später begehrten anderweitigen Umsatzsteuerfestsetzung entgegen, wenn dieser Bescheid nicht mehr geändert werden kann. Die Entscheidung des FA über die Rücknahme des Feststellungsbescheides nach § 130 Abs. 1 AO ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur eingeschränkt überprüft werden kann (BFH, Urteil v. 11.12.2013 – XI R 22/11; veröffentlicht am 19.2.2014).

Hintergrund: Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen Verwaltungsakt fest, § 251 Abs. 3 AO. Dieser Feststellungsbescheid ist mangels Festsetzung einer Steuer kein Steuerbescheid i.S. von § 155 AO. Er ist daher nach Eintritt der Bestandskraft nur nach §§ 130, 131 AO änderbar (BFH, Urteile v. 24.11.2011 – V R 13/11 und V R 20/10 sowie v. 6.12.2012 – V R 1/12).

Sachverhalt: Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin aus einer für das Jahr 2003 (Streitjahr) nachgereichten Umsatzsteuererklärung eine entsprechende Umsatzsteuerfestsetzung sowie die Änderung der nach § 251 Abs. 3 AO bislang vorgenommenen Feststellung der steuerlichen Insolvenzforderung. Die Erklärung hatte er eingereicht, nachdem ein zuvor vom FA erlassene Feststellungsbescheid bestandskräftig und in die Insolvenztabelle eingetragenen geworden war. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass eine Änderung der Eintragung in der Insolvenztabelle aufgrund der nachgereichten Umsatzsteuererklärung nicht mehr möglich sei. Der Kläger ist dagegen der Meinung, dass die Umsatzsteuerfestsetzung erklärungsgemäß durchzuführen und der streitbefangene Feststellungsbescheid nach §§ 130, 131 AO zu ändern sei.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

Die vom Kläger beantragte Umsatzsteuerfestsetzung für 2003 ist wegen des bestandskräftigen Feststellungsbescheids v. 2.8.2006 nicht mehr möglich.
Zwar kommt wegen der vom Kläger eingereichten Steuererklärung für 2003 mit einem sich daraus ergebenden Erstattungsbetrag eine nachträgliche materielle Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheides i.S. von § 130 Abs. 1 AO in Betracht.
Allerdings ist die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 AO eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkt gerichtlich geprüft werden kann.
Vorliegend hat das FG im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung zutreffend angenommen, dass das FA die Rücknahme des streitbefangenen Feststellungsbescheides ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

Quelle: NWB Datenbank

BFH: Finanzamt kann Insolvenzforderung gegen Umsatzsteuervergütungsanspruch aus vom Verwalter freigegebener unternehmerischer Tätigkeit des Insolvenzschuldners aufrechnen


„Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 entschieden, dass das Finanzamt (FA) einen Anspruch eines Insolvenzschuldners auf Vergütung von Umsatzsteuer mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen verrechnen darf, wenn der Insolvenzschuldner den Vergütungsanspruch durch Fortführung seines Unternehmens während des Insolvenzverfahrens erworben und der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte. Vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens erworbenes Vermögen gehört zwar grundsätzlich zur Insolvenzmasse und dient damit der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (§ 35 der Insolvenzordnung -InsO-). Allerdings hat der Insolvenzverwalter bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners zu erklären, ob auch hieraus herrührendes Vermögen zur Insolvenzmasse gehören soll und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren sollen geltend gemacht werden können. Gibt er dem Schuldner gegenüber die Erklärung ab, dass er die Aktiva und Passiva aus dem Insolvenzbeschlag freigibt, hat dies nach der Entscheidung des BFH zur Folge, dass das FA einen durch die Tätigkeit ggf. begründeten Umsatzsteuervergütungsanspruch gegen Steuerforderungen verrechnen kann, die in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und unbefriedigt geblieben sind. Denn das Aufrechnungsverbot, das eine Verrechnung gegen Ansprüche, die ein Gläubiger während des Verfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, verbietet (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), greife nicht ein; ebenso wenig sei der InsO ein ungeschriebenes allgemeines Verbot zu entnehmen, mit Insolvenzforderungen gegen Ansprüche des Schuldners aufzurechnen, die nicht in die Insolvenzmasse fallen. Die InsO weise also den Insolvenzgläubigern nicht etwa ausschließlich die Insolvenzmasse als Haftungssubstrat zu. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der in Insolvenz geratene Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und der Insolvenzverwalter den betreffenden Betrieb aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte. Da der Schuldner Lieferungen und Leistungen erbrachte, für welche nicht er, sondern gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes die Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldeten, entstanden erhebliche Überhänge an Vorsteuerbeträgen und damit Steuervergütungsansprüche. Gegen diese rechnete das FA mit seinen Forderungen aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandener Umsatzsteuer auf, so dass der Anspruch des Klägers erloschen war. Den hierüber erlassenen Abrechnungsbescheid hielt das Finanzgericht für rechtmäßig; dessen Urteil hat der BFH jetzt bestätigt.“

Kommentar: Für Schuldner, die versuchen während des laufenden Isnolvenzverfahrens eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen, hat dies erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen  immer dann, wenn Vorsteuer-Überhänge entstehen, die dann vom Finanzamt nicht ausgezahlt, sondern verrechnet werden. Im Ergebnis wird die Vorsteuer damit zu einem „Kostenfaktor“ und muss im Rahmen der Unternehmensplanung nach Verfahrenseröffnung berücksichtigt werden. Der sinnvollste Weg  dürfte es wohl sein, durch entsprechende Gestaltungen der selbständigen Tätigkeit nach der Verfahrenseröffnung dieser teuren Konsequenz aus dem Weg zu gehen.